Ginny Gibson
Ginny Gibson kam im Oktober 2013 zu uns. Unser Plan war es schon ein Jahr bevor die Ponyzeit zuende ist, ein Großpferd für den Umstieg vorzubereiten und so machten wir uns auf die Suche. Wir schauten ein paar an, auch Ginny war dabei. Als ich zu Nina auf der Deutschen Meisterschaft sagte: ” Du, hier gibt es eine vierjährige, die schauen wir uns gleich mal an” war sie wenig begeistert. Eine4-jährige war jetzt nicht gerade das, was sie sich vorgestellt hatte. Eigentlich wollten wir ja was älteres haben, das schon ein bisschen Erfahrung hat, aber die, die gut laufen sind unbezahlbar und die anderen, die irgendwas nicht machen und deshalb verkauft werden brauchen wir auch nicht. Dann lieber eine 4-jährige, die noch keine schlechten Erfahrungen gemacht hat.
Auch, wenn so ein Bild wie oben immer spektakulär aussieht, das sieht immer schlimmer aus, als es tatsächlich ist. Zu 98% läuft sie ja gut, die Momente des Dagegen seins sind zwar da, aber es ist nicht so dass sie nur blockieren würde. Wenn das so wäre hätte ich schon längst eine andere Lösung gefunden. Man merkt aber, dass sie eigentlich Spaß an der Arbeit hat nur manchmal gehen eben kurz die Nerven mit ihr durch. Das ist aber kein Grund aufzugeben.
Es ist auch definitiv nicht so, dass man sich in dem Moment als Tierquäler fühlt, der seinem Pferd unmögliches antut. Sie läuft ja, wenn man sie wieder auf dem Boden der Tatsachen hat, völlig normal weiter. So wie der ein oder andere mal bockt, mit dem Kopf schlägt oder sonstige komische Sachen macht, so ist Ginny eben ein bisschen theatralischer.
Genau aus dem Grund, weil wir wissen, dass wir es wohl nie ändern werden, dass sie eben ist, wie sie ist, das aber kein Grund zur Sorge ist, gehen wir damit ganz offen um und stehen dazu.
Im Mai 2017 war es dann auch so weit, dass wir sie einfach mal mitgenommen haben aufs Turnier. Wir hatten keine Ahnung, was passieren würde und meldeten Nina einfach mal in einer Dressurreiter-A. Wir wollten einfach mal ins Viereck reiten, ohne große Herausforderung, was die Lektionen angeht und schauen, was passiert. Es hätte alles passieren können, wir hatten ja schon Zeiten, da stand sie bei X und ging nicht los, nur hoch. Der nächste Knackpunkt wäre das Angaloppieren gewesen. Aber es war nicht, einfach gar nichts. Ginny schnuckelte durch die Aufgabe, als hätte sie nie etwas anderes getan, holte sich mit ihrer 7,4 das silberne Schleifchen ab und stand danach im Hänger wie der Champ. Selbstbewusst, zufrieden mit sich und der Welt und uns hat sie damit ganz schön verwirrt. Wir hatten mit allem gerechnet, nur damit nicht.
Und so kam es, dass Ginny wieder regelmäßig mit uns aufs Turnier fuhr. Nachdem wir sie ein paar vorsichtige A-Dressuren geritten haben und hier auch feststellten, dass es hier ähnlich funktioniert wie zu Hause, nämlich der Grad zwischen normalem Schnuckelpferd und eskalierenden Tiger klein ist, wussten wir, was auf uns zu kommt.
Ginny ist inzwischen mehrfach L-Dressur platziert, hat auch schon eine gewonnen, es kam aber genauso auch schon vor, dass ich auf eine Note verzichtet habe. Da steckt man nie drin.
Ginny ist jetzt von der Ausstrahlung und der Bewegungsqualität nicht gerade das, was die Richter im Viereck sehen wollen. Um wirklich vorne dabei zu sein, muss man sie eigentlich mehr versammeln, mehr anpacken, um ein bisschen mehr Grundspannung zu bekommen. Aber genau da liegt ja das Problem. Aus positiver Spannung, die ich für mehr Ausdruck brauche, wird bei Ginny schnell Druck, den sie sich selbst macht. Dann kann es schnell zu Problemen kommen, die dann natürlich keine Note mehr ergeben. Es ist also immer meine Aufgabe im Viereck abwägen, ob ich liebe eine nette Runde reite und versuche mit korrekten Lektionen und Durchlässigkeit zu punkten, oder ob ich etwas mehr Risiko gehe, dann aber darauf gefasst sein muss, das das schief gehen könnte.
Ja, es ist wie es ist. Wir haben uns mit Ginny arrangiert. Wir haben für uns und für sie den Weg gefunden, auf dem ihr Leben am Besten funktioniert und so werden wir das weiterhin machen. Alle Stimmen von außen, wann wir den Sch…bock endlich verkaufen, alle, die fragen, ,ob der was weh tut, alle, die heimlich oder auch unheimlich den Kopf über uns und über sie schütteln, es wird sich nichts ändern.
Nach inzwischen 4,5 Jahren, zwischen Hoffen und Bangen, zwischen Tierarzt und austherapiert, zwischen nicht mehr weiter wissen und dann läuft doch wieder alles glatt, haben wir und Ginny unseren Weg gefunden und ihr könnt euch sicher sein, Ginny ist das Pferd von unseren, in das jeden Tag wieder am meisten reingeschaut wird, bei der möglichst jedes Detail stimmen sollte und man immer schaut für sie die besten Möglichkeiten zu schaffen.
Und genau aus diesem Grund wird sie weiter gearbeitet. Sie wird weiterhin mit aufs Turnier fahren, auch, wenn wir nach vielen Versuchen, es doch noch zu schaffen, wohl am Springen auf dem Turnier scheitern werden. Ginny hat zu Hause, abgesehen von den üblichen Sperenzchen, die aber nichts mit Springen zu tun haben, Spaß am Springen und macht das auch sehr gut, aber die Nerven versagen regelmäßig, sobald sie alleine im Parcours ist. Das wird wohl hoffnungslos sein, das macht aber auch nichts.
Auch dressurmäßig sind wir uns im Klaren darüber, dass wir über die L-Dressuren nicht rauskommen werden. Wir müssen froh und dankbar sein, dass wir es mit ihr bis hierhin geschafft haben, aber alles, was wir mehr wöllten, ginge über ihr Nervenkostüm hinaus und wäre somit unfair ihr gegenüber.
Ginny Gibson ist, und wird es wohl immer bleiben, unser Mäuschen, das nicht aus ihrer Haut kann, und trotzdem eins der liebenswertesten Pferde ist, die mir je begegnet sind. Auch, wenn sie nie ein zuverlässiges Sportpferd werden wird, sowie sie auch nie ein abgeklärtes Freizeitpferd werden wird, so leben wir immer mit dem, zu dem sie gerade in der Lage ist, es zu leisten.
Was aber auch nicht heißt, dass sie alles darf und mit rosaroten Samthandschuhen angepackt wird. Es gibt so ein paar Verhaltensweisen, die können und wollen wir ihr nicht durchgehen lassen, da geht es schließlich auch um unsere Sicherheit. in manchen Situation muss man sie, so gern man sie hat, oder gerade weil man sie gern hat, auch mal maßregeln, und ihr schon deutlich machen, dass man ein gewisses Maß an Mitarbeit von ihr erwartet.
Wir stellen uns auch manchmal bewusst schwierigen Situationen, da sie auch aus diesen viel lernen kann, so wie sie z.B. am Anfang nur zum Spaß mit aufs Übernachtungsturnier nach Kreuth fuhr. Die ersten Male war das purer Stress für sie und es war kaum möglich nur mit ihr spazieren zu gehen. Inzwischen findet sie das ganz normal, das heißt, sie kann durchaus auch an ihren Aufgaben wachsen, sie braucht halt nur länger dafür als andere.
Es mag sein, dass mir irgendwann die Ideallösung für ihr Leben über den Weg läuft, wenn ich die hätte, würde ich es jederzeit für sie tun. Im Moment ist aber ihre Ideallösung, das vertraute Leben mit ihren vertrauten Pferden und Menschen, mit viel Kuschel, Putz und Knuddelzeit und Arbeit im Rahmen ihrer Möglichkeiten.
Das Jahr 2018 begann auch für Ginny aufregend. Wir wollten schauen, ob es Sinn macht, sie mal mit zu Auswärtstrainings zu nehmen. Da sie daheim hochmotiviert springt, war es unsere Idee, ob sie das auch woanders macht. Und so waren wir zum Jahresbeginn viel mit ihr unterwegs. Springtraining, Geländetraning. Nach immer anfänglicher Schüchternheit, die dann aber immer schnell zu überwinden war, hatten wir tolle Trainingseinheiten mit ihr. Sie hatte sich über den Winter doch nochmal ein ganzes Stück weiterentwickelt, und wir wollten ihr die Chance geben, ihr Potential, dass sie ja durchaus hat, zu entfalten.
Im Mai ging es für Ginny mit uns nach Kreuth. Neben den Dressuren, die sie ja sowieso gehen sollten, wollten wir auch noch einen Versuch im Parcours starten. Wir waren so weit gekommen im Training, es hätte klappen können. In Kreuth darf Nina ja A-Springen außer Konkurrenz reiten und wir wollten versuchen, ob sie nach einem tollen Warm-Up auch die Nerven im Parcours behalten würde. Langer Rede, kurzer Sinn. Es ging nicht. Eine Prüfung beendete sie zwar und wir dachten, wir hätten den Knackpunkt endlich geschafft, aber schon in der nächsten machte sie sofort zu. Das ist wohl tatsächlich hoffnungslos.